In 6 Schritten zum Spielleiter – 2/2
Hast du den ersten Teil schon gelesen? Nein? – Dann schau doch mal HIER vorbei 🙂
Wow, du hast den Weg zum zweiten Teil von In 6 Schritten zum Spielleiter gefunden.
Nachdem wir uns im ersten Teil hauptsächlich mit der theoretischen Vorbereitung beschäftigt haben, geht es heute an die Praxis – also Tipps für den Spieleabend selbst. Denn was nützen dir Abenteuer, Regeln und Setting, wenn du keine Ahnung hast, was dich bei deinem ersten Mal als Spielleiter am Spieltisch alles erwartet? Der zweite Teil von In 6 Schritten zum Spielleiter gibt dir die Antwort.
IV. Das Spielleiten
Es steckt ja schon im Wort Spielleiter – klar, dass das Spielleiten zu den Hauptaufgaben eines Spielleiters gehört. Grundsätzlich umfasst das deine komplette Interaktion während des Spielens – und je nachdem wie gut du dich vorbereitet hast, in Sachen Abenteuer, Regeln und Setting, desto einfacher ist es für dich.
Doch es kann auch vorkommen, dass Spieler die erzählerischen Schienen, auf denen das Abenteuer verläuft, verlassen wollen. Vielleicht um einen anderen Lösungsweg für eine Aufgabe zu finden oder einfach nur, weil sie gerade Spaß daran haben. Grundsätzlich solltest du so etwas nicht verbieten. Sei aufgeschlossen und habe keine Angst zu improvisieren. Pen and Paper lebt von der Illusion der absoluten Freiheit. Es kann schnell ermüdend für die Spieler werden, wenn sie gefühlt an jeder Straßenecke in eine unsichtbare Mauer rennen. Sie wollen in die Kanalisation, weil sie dort Hinweise vermuten? Lass sie einfach!
SL: „Eine kurze Leiter führt hinab in die dunklen Tunnel der Kanalisation. Ein paar Ratten flüchten piepsend aus dem Lichtschein eurer Laternen. Der Geruch ist bestialisch, es stinkt nach Scheiße! Ihr steht auf einem schmalen Steinweg – neben euch fließt der Unrat der Stadt vorbei.“
Das ist nicht schwer, erzeugt Atmosphäre und gibt den Spielern das Gefühl in einer lebendigen Welt zu spielen. Vielleicht fällt dir spontan noch etwas mehr zu der Szene ein, zum Beispiel eine kleine Zufallsbegegnung, wie ein mutierter Kanalisationsalligator (Achtung Klischee!) oder vielleicht doch ein paar der Schergen des bösen Nekromanten, der den Mittelpunkt des Abenteuers darstellt. Verändere das Abenteuer während des Spielens wenn du willst. Ein bestimmtes Ereignis wird nur geschehen, wenn die Spieler zu Ort A gehen, was sie aber einfach nicht tun? Vielleicht geht es ja auch an Ort B! Du hast kein fest programmiertes Computerspiel vor dir liegen, sondern ein sehr viel lebendigeres Medium, dessen einzige Grenzen deine Vorbereitung und Improvisationsfreude sind.
Grundsätzlich sind Regeln ähnlich flexibel zu betrachten. Manchmal überraschen dich Spieler mit coolen Ideen, die vielleicht nicht mit eurem Regelwerk abzubilden sind. Doch dafür gibt es eine Lösung: The Rule of Cool! Wenn euch ein Spieler fragt, ob er das oder jenes machen kann, dann sag immer: „Ja, aber…“.Kevin will einen Flickflack über die Wache machen und ihm dabei den Schlüssel von der Halskette reißen? – Klar, aber dann muss er erstmal einen schwierigen Akrobatik-Check und noch einen schwierigeren Fingerfertigkeits-Check bestehen. Wenn er den Check nicht schafft, dann bist nicht du als Spielleiter schuld, sondern einfach die Würfel. Gib deinen Spielern ab und zu die Möglichkeit ein richtig cooler Held zu sein, denn solche Szenen bleiben im Gedächtnis. „Weißt du noch damals, als ich aus der fahrenden Kutsche direkt auf den Rücken des Riesenwolfs gesprungen bin, ihm meinen Dolch durch den Schädel gestoßen habe und dann am Sattel entlang auf das Pferd des Elfen geklettert bin?“ – das ist eine verdammt coole Geschichte und gerade über die coolen und witzigen Anekdoten wird man noch viele Jahre danach schmunzeln.
Für viele angehende Spielleiter mag das Darstellen der NPCs, aus Angst sich lächerlich zu machen, das größte Problem sein. Da kann man grundsätzlich nur einen Tipp geben: Lass dich einfach fallen! Gib den NPCs witzige oder interessante Stimmen: wenn du die hübsche Schankmaid sprichst, dann rede höher und kicher mädchenhaft, dem verbitterten General sprichst du tiefer und er ist vielleicht auch etwas wortkarg – oder andersherum, wie es gerade zur Situation passt. Aber auch nicht jeder NPC braucht unbedingt eine eigene Stimme. Denke auf jeden Fall nicht darüber nach, ob dein Leihen-Schauspiel peinlich wirken könnte, denn wenn die Spieler merken, dass du tief in deine Rollen eingetaucht bist, dann haben sie es wiederum auch leichter in ihre Charaktere zu schlüpfen.
V. Die Kontrolle über die Spieler
Spieler verhalten sich grundsätzlich wie eine Schulklasse voller 14-Jähriger, die gerade das erste Mal Sexualkunde-Unterricht haben. Da wird ein dummer Spruch gelassen, dort wird gekichert und du stehst mittendrin und versuchst deine Story durchzuboxen. Es ist nun einmal deine Aufgabe als Spielleiter, die Gruppe unter Kontrolle zu halten.
Du kannst viel Konfliktpotenzial vermeiden, wenn du bereits bei der Auswahl deiner Mitspieler auf gewisse Faktoren achtest. Ist jemand im Real Life vorlaut und lässt zu jeder Situation einen dummen Spruch ab, so wird er das wohl auch am Spieltisch. Das kann natürlich trotzdem funktionieren, aber es kann auch schnell anstrengend für die ganze Gruppe sein, wenn jemand ständig dazwischenruft. Versteh mich nicht falsch, ich bin kein Rollenspielnazi – viel Witz und Humor gehören genauso wie der Rest zu einer guten Runde Pen and Paper, aber sobald es anfängt die anderen Spieler und die Gruppendynamik zu stören, wird es zu einem Problem. Achte also vor allem am Anfang darauf, wen du zu einem Spieleabend einlädst. Nimm dir einfach sympathische Leute, die Interesse an der Materie haben.
Sollte es trotzdem mal mit einem Spieler Probleme geben, so nimm ihn dir einfach mal zur Seite und rede mit ihm darüber – das hilft meistens. Wenn es ein Problem mit der Gruppe gibt, dann redet alle gemeinsam darüber. Viele Konflikte kann man so aus der Welt schaffen. Rede ruhig und normal mit den Spielern, auch wenn du innerlich etwas wütend auf sie bist (Ich spreche aus Erfahrung!). Erkläre ihnen einfach mal welchen Aufwand man betreiben muss, um als Spielleiter den Spielern einen schönen Abend machen zu können, denn viele Spieler können das überhaupt nicht einschätzen. Dafür hast du definitiv Respekt von deinen Spielern verdient, denn nur wegen dir können sie die epischen Abenteuer überhaupt erst bestreiten. Gemeinsam werdet ihr bestimmt eine Lösung finden und im schlimmsten Fall, muss eben der Spieler, der sich nicht ändern will und das Spielerlebnis aktiv torpediert, aus der Gruppe austreten, damit alle anderen Beteiligten wieder Spaß an der Sache haben können. Da es sich aber meistens um bei den Mitspielern auch um deine Freunde handelt, kommt es selten zu solch drastischen Schritten.
VI. Die Kritik
Jetzt mal ehrlich: Ich habe noch nie eine schlechte Runde Pen and Paper gespielt. Irgendwie hat es immer Spaß gemacht, egal wie chaotisch, ungeordnet oder unvorbereitet alle beteiligten Parteien waren. Trotzdem gibt es ab und an mal Kritik, doch das muss ja nichts schlechtes sein. Verschiedene Spieler erwarten verschiedene Dinge vom Rollenspiel. Die einen wollen viele taktische Kämpfe, die anderen vielleicht eher Investigationen oder Intrigenspiel. Gehe auf die Erwartungen und Wünsche deiner Spieler ein, nur so kann garantiert werden, dass alle Spaß haben. Natürlich bist du keine Spielleiter-Hure, die alles leitet, wenn man ihr nur ein paar Gold vor die Füße wirft. Wenn du keinen Spaß an taktischen Kämpfen hast und eher epische Geschichten mit möglichst viel sozialer Interaktion leiten möchtest, dann solltest du mit deinen Spielern ehrlich darüber reden. Jeder sollte glücklich sein, auch der Spielleiter!
Ab und zu wirst du auch aus Gründen Kritik bekommen, für die du nichts kannst. Wenn ein Spieler den ganzen Abend schlecht würfelt, dann kann er schon mal am Ende ein wenig angepisst sein und diese Gefühle fließen dann in seine Kritik ein. Sowas kann einfach passieren. Mach dir darüber auf jeden Fall keine Gedanken. Kritik sollte dazu dienen, dass du dich weiterentwickeln kannst. Im letzten Abenteuer zu viele Kämpfe? – Okay, nächstes Mal gibt es ein dann weniger, ganz einfach. Kritik die dich nicht weiterbringt kannst du getrost ignorieren!
Das waren In 6 Schritten zum Spielleiter. Dein erster Spielabend kann nun also kommen. Die Rolle des Spielleiters zu übernehmen kann eine unglaublich coole Erfahrung sein. Man ist der Mastermind hinter der Story – quasi der Gott des Spiels. Deine Ideen verändern ganze Welten und die Spieler unterliegen deinem Urteil. Doch denke daran, ein gütiger Gott kommt immer besser an, als ein rachsüchtiger oder cholerischer. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß für dein erstes Mal als Spielleiter!
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Quest in Peace, liebe Abenteurer!